I.
Die Nacht, die Pilgerin im
Trauerkleide,
Durchwandelt still die
blühenden Gefilde...
Die Rosen und Violen duften
milde
Und leis’ nur athmet die
bethaute Haide.
Aufsteigend webt ein Netz von
Strahlenseide
Der Mond um des Gebirges
Felsgebilde,
Daß sie, des Thales graue
Wetterschilde,
Weithin erglänzen wie von
Goldgeschmeide.
Wie sanft ruht Alles, längst
vom Schlaf umfangen!
Die Blumen und die keuschen Knospen
lassen
Entschlummert die so müden
Köpfchen hangen.
Nur mich allein, den Schlaf
und Träume hassen,
Verlockt ein heißes,
schmerzliches Verlangen,
Ruhlos zu wandern durch die
leeren Gassen.
II.
An Liebchens Haus die weiten
Fensterbogen,
D’ran schlanke Säulen zierlich
aufwärts streben
Mit altem Schnitzwerk, sind
von Eppichreben
Und jungem Weinlaub
schlangengleich umzogen.
Der Kuß des Windes trifft die
Blätterwogen,
Daß wonneschauernd sie
zusammenbeben...
Der Springquell flüstert und
im Hain daneben
Ertönen sanft der Nachtigall
Eklogen.
Ein Pförtchen in der Mauer
führt zum Garten,
Das mir einst jeden Abend war
erschlossen,
Und niemals ließ Blauäuglein
auf sich warten;
Doch sind die sel’gen Zeiten
längst verflossen,
Die Bäume kahl, die sonst von
Blüthen starrten,
Die Blätter welk und dürr des
Glückes Sprossen.
III.
Stets wird die Nacht mir
unvergeßlich bleiben,
Wo ich, vor Liebe kaum der
Sinne mächtig,
Den Frevel unternahm ganz
unbedächtig,
Dich zu belauschen, spähend
durch die Scheiben.
Wohl war’s ein unverzeihlich
tolles Treiben;
Doch lehrt’ es mich erkennen,
wie du nächtig
Noch reizender erscheinst und
also prächtig,
Daß kaum ist deine Schönheit
zu beschreiben.
Die Schulter glänzte wie aus
Schnee gewoben
Und in den Augen mußt’ ich, in
den blauen,
Zwei Veilchen, eben erst der
Flur enthoben,
In deinen hohen schöngeformten
Brauen
Zwei Regenbogen nach
Gewittertoben
Und einen Engel in dir selbst
erschauen.
IV.
Zwar zürnst du mir, doch kehr’
ich immer wieder
Mit reuigem Gemüth zu deinen Füßen,
Die alte, nicht getilgte
Schuld zu büßen,
Und vor dir fällt das Herz
andächtig nieder.
Der Stimme Schmelz, die
Wohlgestalt der Glieder,
Sie reizen mich, dich täglich
zu begrüßen...
Dein Anblick muß den Kummer
mir versüßen
Und in der Seele hauchen neue
Lieder.
Verwehre nicht die kleinen
Huldigungen,
Grausame, diesen Trost dem
armen Kranken!
Und wehrst du es, von Mitleid
nicht durchdrungen,
So hindert keine Macht doch
die Gedanken
Zu folgen dir und sich in ewig
jungen
Ueppigen Zweigen um dein Bild
zu ranken.
Von einer Flur zur andern
schwebt der scheue
Tagfalter, unerreichbar jeder
Bande,
Treu nur der Untreu’ und dem
Unbestande
Und untreu der Beständigkeit
und Treue.
Sein Lieben wechselt jeden Tag
auf’s Neue,
Die bunte Schwinge trägt ihn
durch die Lande
Vorwärts von Kelch zu Kelch,
von Strand zu Strande
Vom schild’gem Sein zum
Sterben ohne Reue.
Ihm gleicht die Männerlieb’ im
Honigschlürfen
Von holden Lippen, die geküßt entbrennen;
Genuß ist ihr das seligste
Bedürfen,
Ihr Inhalt: Suchen, Finden und
Erkennen,
Ein blüh’nder Kranz von Siegen
und Entwürfen
Vom Sieg um neue Siege sich zu
trennen.
Nichts hier so treu, als treue
Mutterliebe,
Die, wär’ auf erden alle lieb’
vergangen
Doch an der Menschheit und am
Leben hangen
Wie am Magnet die Eisennadel
bliebe!
Ihr Trieb vereinigt alle süßen
Triebe
Der Zärtlichkeit: das
wonnereiche Bangen,
Das selige verlangen und
Umfangen,
Das niemals stirbt, ob auch
die Welt zerstiebe.
Des Mannes Brust, aus Erz und
Stahl geschlagen,
Gehört der Welt und ihrem
Vorwärtsschreiten,
dem Reich des Denkens und dem
kühnen Wagen.
Das Weib aus Rosenblättern,
fern dem Streiten,
Verlangt nur Eins, um Alles zu
ertragen:
Geliebt zu sein und Liebe zu
verbreiten.
I.
Europas Garten athmet uns
entgegen,
Betraut mit holdem Liebreiz
allerorten
So überreich, daß kaum du
magst mit Worten
Bezeichnen des Gefildes
goldnen Segen.
Schon fühlen wir sein glühend
Herz sich regen, -
Sein Pulsschlag klopft durch
morsche Tempelpforten
So heiß noch wie dereinst, wo
den Kohorten
Des Cäsarreichs die halbe Welt
erlegen.
Stets unvergleichlich schön
bleibt dieser Boden,
Geheiligt durch den Griffel der
Geschichte,
Deß Monumente keine Zeit wird
roden.
Die Trümmer selbst, die
steinernen Berichte,
Sie flüstern durch der Bäume
grüne Loden
Zum Ruhm des Lands
unsterbliche Gedichte.
II.
Drei Kinder spielen dort in
Gras und Staube,
Wo der Gebirgskamm schießt aus
Lavaschlacken,
Ein plumper Riese, dem an
Brust und Nacken
Entkeimt der Weinstock mit der
süßen Traube.
Im Mandelstrauche girrt die
Turteltaube
Und aus der Felsen
vielgestalt’gen Zacken
Erhebt zum Schutze der
geborstnen Wacken
Apollo’s Baum sich mit
geweihtem Laube.
Die Kinder spielen recht nach
Kinderweise:
Der Knabe dient als Roß und
ohne Säumen
Beginnt auf ihm sein
Schwesterchen die Reise.
Sie zittert nicht, mag noch so
wild er bäumen;
Denn sorgsam hält den
Trabenden im Gleise
Die andre Schwester mit Gebiß
und Zäumen.
III.
O kinderzeit, du Frühling ohne
Trauer,
Dir immer ähnlich, wo du auch
begonnen,
Sei’s im Palaste, neben Zofen,
Bronnen,
Sei’s hinter’m Zaun an
halbgestürzter Mauer.
Wie rasch fliehst du, ein Vöglein
aus dem Bauer,
Eh’ wir dich noch von Herzen
liebgewonnen,
Geschätzt, begriffen erst,
wenn schnell verronnen
Du uns verloren bleibst für
alle Dauer!
Wohl steigen oft zu den so
theuren Hallen
Sehnsüchtig die daraus
Verbannten nieder,
Gleich Pilgern, die zum
Gnadenbilde wallen;
Doch harren sie umsonst der
frühen Lieder:
Die Zinnen und die Säulen sind
gefallen
Und keine Hand errichtet je
sie wieder.
IV.
Wir schweifen weiter durch die
klassischen Gaue,
Den Wohnsitz der Legenden und
der Sagen,
Und uns umfängt ein
unermeßlich Klagen,
Das durch die Luft hinströmt,
die sommerlaue.
Gewaltherrschaft, sie hängt
die düstre Braue
Auf diese Fluren, die
verschüchtert zagen...
Wir schaudern; denn an Brutus’
Erbteil nagen
Der Knechtschaft Geier mit
gezückter Klaue.
So hing der Adler dir einst an
der Leber,
Gefesselter Prometheus, dem
verschlossen
Durch Götterrathschluß des
Gebiet der Gräber.
Die grauenhaft zerrissnen
Adern gossen
Blutströme auf des Lichtes
milden Geber,
der Sterblichen unsterblichen
Genossen.
V.
Ein trübes Bild! Kaum will es
sich vereinen
Mit jenen Strophen, die vom
stillen Leben
Des Menschenfrühlings uns
Bericht gegeben...
Der Schmerz des Volkes trifft
nicht diese Kleinen.
Darum zurück zum Hügel mit den
Steinen,
Wo bei der Heerde zwischen Moos
und Reben
Der Apenninen Kinder lachend
schweben,
Glücklich und reich, ob sie
auch arm erscheinen!
O mögen sie die Gegenwart
genießen,
Die Lust des Daseins auf den
Bergen droben,
Wo nicht die Thränen der
Leibeignen fließen!
Vielleicht daß einst, wenn bei
der Waffen Toben
Der Freiheit Blüthen prächtig
sich erschließen,
Ihr Glück schon längst
versunken und zerstoben!
Was mag am Tödtlichen das Herz
verwunden
Tief, tief in seinen innersten
Bereichen,
Dort wo Natur des Lebensrades
Speichen,
Ein Gottgeheimniß, unsrer
Brust verbunden?
Was heilen und vernarben nicht
die Stunden,
Die wohl das Haar, doch nicht
den Kummer bleichen?
Was quält die Brust mit
Schmerzen ohne Gleichen,
Bis sie Genesung durch den Tod
gefunden?
Die Lieb’ ist’s, die,
verrathen und belogen,
Zum Born unsel’ger Leiden sich
gestaltet,
Wenn Hoffnung ihr und Freude
ganz entflogen...
Das Mitgefühl, die
Zärtlichkeit erkaltet,
Und still schließt sich die
Seele, die betrogen,
Wie bei Gewittern sich die
Blume faltet.
I.
Wer, läg’ er an der freude
blüh’nden Lippen,
Hieß’ thöricht nicht, wollt’
er im Bruderkreise
Vom Feuertrank der Lust nur
kosen leise
Und statt zu trinken,
medizinisch nippen.
Ich lache der Gelehrten kalten
Sippen,
Die peinigend Entsagen nennen
weise
Und für die Rose längst dem
Lebensgleise
Sich anbau’n Dornenlager von
Gestrippen.
Nur eine Weisheit ist’s: die
des Genusses,
Das süße Schwelgen im Bereich
des Schönen,
Das neue Testament des Weins,
des Kusses,
Wenn alle Herzen Glück und
Freude tönen
Und ihren Liebling, zärtlichen
Entschlusses,
Mit Eppich nicht zu spröde
Mädchen krönen.
II.
Versteht mich recht, das ist
es, was ich meine:
Ein Jeder schöpfe von der
Freude Bronnen,
Vom Gottesquell der menschlich
sel’gen Wonnen,
Nur flieh’ er, was erniedrigt –
das Gemeine.
Kein Wölkchen trübe seines
Herzens Reine,
Wie schnell ist sonst der
holde Traum verronnen,
Ja schneller noch verronnen
als begonnen
Und Unkraut wuchert aus dem
Rest von Weine.
Was dem allsegnenden allsel’gen
Gotte,
Dem einzigen durch und in sich
selber Frohen,
Der Teufel mit des Hasses gift’gen
Spotte:
Das ist Gemeinheit dem Genuß,
dem hohen, -
Die Freude wohnt nicht in der
Sünder Rotte
Und selbst die Liebe stirbt im
Hauch des Rohen.